Das Land der Entdecker
Die geografische Lage des Landes an der Westküste der iberischen Halbinsel, mit dem damaligen Erzfeind Spaniens im Rücken, der die Portugiesen jahrhundertelang daran hinderte, den wirtschaftlich so wichtigen Anschluss an Europa zu finden, zwang die Portugiesen förmlich hinaus aufs Meer. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein reger Seehandel, dessen Blütezeit im 13. Jahrhundert erreicht war. Zu dieser Zeit hatte man begonnen, Weine aus dem Douro-Tal nach Porto zu bringen, damals schon ein wichtiger Umschlagplatz für Wein und anderer Handelswaren. Mit Heinrich dem Seefahrer begann im 15. Jahrhundert die Ära der Entdecker – eine Zeit, die die portugiesische Weinwirtschaft entscheidend beeinflusste. Für ihre langen Reisen deckten sich die Seefahrer mit Wein ein, der ihnen unterwegs nicht nur als Proviant, sondern auch als Handelsware gute Dienste leistete und bald eine weltweite Nachfrage nach portugiesischen Weinen mit sich brachte. Vor allem zu Großbritannien gediehen hervorragende Beziehungen und die Weine aus Portugal waren in England bald mehr gefragt als die bis dato weitaus bekannteren Bordeaux-Weine. Im 18. Jahrhundert schließlich wurde in England weit mehr Wein aus Portugal importiert als aus Frankreich. Im Gegenzug lieferten die Briten Kabeljau für das portugiesische Nationalgericht Bacalhau.
Antike
Angeblich war es Lusus, ein Gefährte des römischen Weingotts Bacchus, der der römischen Provinz Lusitanien im Nordwesten der Iberischen Halbinsel seinen Namen stiftete. Jenseits dieser Dichtung gilt eine alte europäische Wahrheit: Überall dort, wo Phönizier, Griechen oder Römer siedelten, galt Weinbau als zivilisatorische Pflichtübung. So wird auch an Tejo und Douro sowie im Süden des Landes der Wein bereits in vorchristlicher Zeit geschätzt. Einen Dämpfer erhiehlt diese Tradition während der Zeit der maurischen Herrschaft (ab dem 8. Jahrhundert), die mit dem Alkohol so ihre Schwierigkeiten hatte. Doch mit der christlichen Rückeroberung des Landes findet auch der Wein zu alter Bedeutung zurück.
Das erste Weinbaugebiet der Welt
Es war im Jahr 1756, als Sebastião Jose de Carvalho e Melo, heute besser bekannt als Marquês de Pombal, in Portugal quasi die Macht übernahm als er von König Joseph I zum ersten Minister Portugals ernannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten britische Händler als Hauptabnehmer für portugiesische Weine einen enormen Einfluss auf die Weinerzeuger und setzten sie massiv unter Druck, um u.a. ihre Preise durchzusetzen. Marquês de Pombal dagegen wollte die Erzeugerseite stärken und den aus seiner Sicht unangemessenen Einfluss der Händler reduzieren. Mit seiner Unterstützung wurde 1756 die Real Companhia de Agricultura das Vinhas do Alto Douro gegründet. Ein Unternehmen, das einer Gruppe von Winzern gehörte — die erste Erzeugergemeinschaft im Douro-Tal. Zum Schutz des Douro-Gebietes grenzten sie die Region geografisch ab, legten die ersten verbindlichen Qualitätsregeln für die Weine aus diesem Gebiet fest und etablierten so das erste Qualitätsweingebiet der Welt.
Politische Unruhen
Im frühen 20. Jahrhundert erlangten eine Reihe portugiesischer Weinbaugebiete DOC-Status: Colares, Carcavelos, Setúbal, Dão und Vinho Verde. Es war eine schwierige Zeit, geprägt von politischen Unruhen und nicht zuletzt dem Sieg der Diktatur. Von 1926 bis 1968 hielt ein Mann die machtvollen Fäden Portugals in Händen: Salazar. Sein besonderes Interesse galt der Landwirtschaft, er hegte ehrgeizige Pläne für eine strikte Qualitätsorientierung und erließ entsprechende Bestimmungen zur Qualitätsverbesserung der landwirtschaftlichen Produkte, darunter auch dem Wein. Er schuf die Voraussetzungen für die Entstehung zahlreicher Erzeugergenossenschaften, von denen etliche noch heute erfolgreich sind.
Doch nicht überall trug diese Entwicklung zur Gesundung der Weinwirtschaft bei. Die neu geschaffenen genossenschaftlichen Strukturen verhinderten den qualitätsfördernden Wettbewerb und erstickten die vielversprechenden Entwicklungen individueller Betriebe bereits im Keim. Dennoch, viele der großen und erfolgreichen Erzeugerbetriebe von heute wurden während der Salazar-Periode gegründet. Nach Salazar kam Caetano für kurze Zeit an die Macht, wurde jedoch 1974 gestürzt. Vom politischen Umbruch war auch die Weinwirtschaft betroffen und viele Erzeugerbetriebe wurden verstaatlicht. Der Tumult legte sich nach wenigen Jahren, die Betriebe wurden wieder privatisiert und in Portugals Politik kehrte endlich Ruhe ein.
Heimische Rebsorten
Wie kein anderes Land verfügt Portugal über eine Vielzahl heimischer Rebsorten — eine Folge der bewegten Geschichte und der über Jahrhunderte andauernden Isolation, die eine Zusammenarbeit mit anderen Weinbauländern wie Spanien und Frankreich verhindert hatte. So konzentrierten sich Portugals Winzer auf ihre eigenen Rebsorten. Ihr Spektrum ist beeindruckend: Touriga Nacional, Baga, Tinta Barroca, Tinto Cão, Jaen, Castelão, Alvarinho, Arinto, Trincadeira und viele andere, die für den unvergleichlichen Charakter der portugiesischen Weine verantwortlich sind. Während sich der Rest der Weinwelt auf Cabernet Sauvignon und Chardonnay konzentriert, hat der Weinliebhaber Gelegenheit, eine einzigartige und eindringliche Aromenvielfalt kennen zu lernen. Insgesamt gibt es mehr als 300 heimische Rebsorten, die nirgendwo sonst auf der Welt angebaut werden.
Die Wein-Revolution
Für die portugiesische Weinwirtschaft begann eine neue Ära, als Portugal 1986 in die EU eintrat. Die Weinbauregionen wurden neu gegliedert, und es wurde ein neues Appellationssystem für Regional und Qualitätsweine eingeführt. Dank umfangreicher EU-Fördermittel wurden gewaltige Investitionen sowohl in die Weinberge als auch in die Kellertechnik möglich — mit dem Ergebnis einer geradezu revolutionären Entwicklung der Weinqualität.
Seit Jahrhunderten haben die Söhne das Geschäft ihrer Väter fortgeführt und damit Familientraditionen und Bräuche am Leben erhalten. Ein solcher Generationswechsel vollzieht sich auch heute. Doch die jungen Weinmacher verfügen über eine exzellente Ausbildung und genießen innerhalb der portugiesischen Weinwirtschaft einen neuen professionellen Status. Neu ist auch: Es entscheiden sich immer mehr Frauen für diesen Beruf. Der Anteil der Frauen unter den Absolventen derUniversität für Önologie in Vila Real macht inzwischen mehr als 60 % aus. Wie ihre männlichen Kollegen sind sie Weinmacher aus Leidenschaft, tief verwurzelt mit ihrer Tradition und ihrem kulturellen Erbe. Diese neue Winzergeneration versteht sich als Bewahrer eines wertvollen und einzigartigen Schatzes: der Vielfalt heimischer Rebsorten, die die portugiesischen Weine so unverwechselbar macht. Das Land der Entdecker will jetzt selbst entdeckt werden; das Land und seine Weine, die Tradition und Moderne der internationalen Weinwelt auf einzigartige Weise miteinander verknüpfen.